Eberhardt Klemm: Spuren der Avantgarde
Vielen Musikfreunden aus Ost- und Westdeutschland seit Jahrzehnten als enthusiastischer Kenner und Forscher der neuen Musik seit Gustav Mahler, als Programmgestalter von Rundfunkkonzerten und Sendungen und als ständiger Mitarbeiter von Musikverlagen bekannt, war der 1928 in Zwickau geborene Eberhardt Klemm bis zu seinem Tod im Juni 1991 eine markante und höchst originelle Persönlichkeit. Das wirkte sich naturgemäß auf seine zahlreichen Arbeiten aus, die noch zu Lebzeiten Klemms in einem Reclam-Taschenbuch erscheinen sollten. Die Wendung der verschiedenartigsten Dinge von den achtziger zu den neunziger Jahren hat daraus ein Buchprojekt des Kölner Musikzeitschriften-Verlags MusikTexte gemacht, in dem von Berlioz bis zur Minimal Music Klemms wichtigste Arbeiten im weiten Feld des Musikdenkens versammelt sind. In den Schriften über die Großen des Jahrhunderts, über Bartók, Mahler, Debussy, Schönberg, über Ives, Varèse, Webern und Berg, über Krenek und Eisler und über die Außenseiter Louis Moreau Gottschalk, Satie, Zemlinsky, Scott Joplin, Carl Ruggles, und Stefan Wolpe, über Musikdenker wie George Bernard Shaw, Ernst Bloch und – wenn man so will – Karl Valentin, über anstößige Interpreten wie Hermann Scherchen und den genialen Leipziger Pianisten Manfred Reinelt, der sich das Leben nahm, nachdem für ihn in der DDR nicht einmal mehr ein minimaler Überlebensraum erkennbar war, wird ein selten so vielfältig ausgemaltes Panorama nachvollziehbar.
Dieses mit Unterstützung der Stiftung Kulturfonds entstandene Buch ist ein außerordentlich vitales Dokument dessen, was sich ganz allmählich – trotz aller Abschottung in der Musiköffentlichkeit der DDR – durchgesetzt hat, nicht zuletzt dank der unermüdlichen Vermittlungsarbeit von einigen wenigen, auf ihre Art hartnäckigen professionellen Musikkennern hohen Grads wie eben Eberhardt Klemm.
Contents
Prolog
-
An Béla denken. Ein Versuch über Eberhardt Klemm
von Manfred Bierwisch -
Grenzüberschreitungen. Erinnerung an Eberhardt Klemm
von Hans Grüß -
Zur Edition
von Gisela Gronemeyer und Reinhard Oehlschlägel
Schriften von Eberhardt Klemm
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„Von Umständen, Zufällen, Glücksfällen“
Zum Selbstverständnis der Zweiten Wiener Schule
Rede zur Habilitationsverteidigung -
„Das sind so schlimme Erinnerungen ...“
Gespräch mit Renate Richter -
Schwierige Lage
Reflexionen über neue Musik in der ehemaligen DDR -
Musik, in der der Hörer wieder zum Menschen wird.
Musik und Tonkunst am Ende (dieses Jahrhunderts) -
„Und Neues wird es wohl auch nicht mehr geben ...“
Manfred Reinelt – ein vergessener Pianist der Avantgarde -
„... Abreagieren sentimentaler Stimmungen“.
Hanns Eislers Klavierwerke -
Einseitigkeit von Forschung und Leere
Zur Lage der Musikwissenschaft in der ehemaligen DDR -
„Der vollendete Wahnsinn“.
Über entartete und bürgerlich dekadente Musik -
Fremd und irgendwie unrein
Erinnerungen und Gedanken an Ernst Krenek -
Der Vorschein der Musik
Zu Ernst Blochs Musikphilosophie -
Geschichte gegen den Strich bürsten
Kurt Weill und der musikalische Avantgardismus -
Revolutionäre des Geistes
Die Berliner „Novembergruppe“ der zwanziger Jahre -
Ein Buchschicksal
Über das Buch „Komposition für den Film“ von Adorno und Eisler -
Abkehr von der europäischen Moderne
Minimal Music – ein Minimum an Musik? -
Zwischen Dadaismus und Agitprop
Der Komponist Stefan Wolpe -
Verlangt restlose Hingabe
Der Komponist Hermann Heyer -
„Kunst kommt nicht von können, sondern von müssen!“
Arnold Schönberg und die Endkrise der bürgerlichen Musik -
„Wir sind zweierlei Menschen“
Schönberg – Eisler – Wolpe. Ihr Verhältnis zum Judentum -
Detailtreue und Zuverlässigkeit
Walter Serauky -
Tragik, Komik, Ernst und Satire
Hanns Eislers Opernentwurf „150 Mark“ -
Letzter bürgerlicher Großdenker
Heinrich Besseler -
Phantastisch
„Pierrot lunaire“ – vertont von Arnold Schönberg und anderen -
USAvantgardismus und Populismus
Zu Werken von Milton Babbitt, Roy Harris und Henry Brant -
Nichts Neues unter der Sonne
Zum Begriff der „Postmoderne“ -
Außenseiter und Individualist
Carl Ruggles -
Komponiertes Stück konkreter Utopie
Zur „Deutschen Sinfonie“ von Hanns Eisler -
„Ich pfeife auf diesen Frühling“
Zu Hanns Eislers Übersiedlung nach Berlin 1925 -
„Die gute alte Musik – ich habe sie noch gekannt ...“
Skizzen zur Emigration deutscher und österreichischer Komponisten -
Ein Konservativer der neuen Wiener Schule
Alexander Zemlinsky -
Ein Bellachini der Musik
Erik Satie -
„... ein wahres Schmerzenskind“
„Das klagende Lied“ von Gustav Mahler -
Komponist des technischen Zeitalters
Edgard Varèse -
„Es ist immer etwas anderes und zugleich immer dasselbe“
Analytische Betrachtungen zu Weberns Kantate „Das Augenlicht“ -
Training der Ohr-, Gehirn- und Seelenmuskeln
Die Kammermusik von Charles Ives -
Utopische Musiklandschaft
Die Orchesterwerke von Charles Ives -
Der Komik tieferer Sinn
Karl Valentin und die Musik -
Naivität und technisches Raffinement
Bemerkungen zur „Symphonie de psaumes“ von Igor Strawinsky -
„Aber mein Herr, warum pfeifen Sie denn ...“
Hermann Scherchen und die neue Musik -
Ein Yankee aus der Nachbürgerkriegszeit
Charles Ives -
Wenig gekannt – wenig geliebt
Bemerkungen zur Rezeption Béla Bartóks -
Die Bereitschaft zu experimentieren muss sich erhöhen
„Neue Einfachheit“ – Probleme einer „Zurück-zu-Bewegung“ -
„Jeder Komponist hat eine gewisse persönliche Handschrift ...“
Gespräch mit Ernst Krenek -
Hoffnungsspuren eines Pessimisten
Arthur Honegger: Beruf und Handwerk des Komponisten -
Editionspraxis – Verlagspraxis
Zur Editionsgeschichte der Fünften Sinfonie von Gustav Mahler -
Singulär und einsam
Scott Joplins Ragtimes -
Opulenz und Sinnlichkeit der Klänge
Der Weg Karol Szymanowskis -
Dem Jenseits zu nahe
Gustav Mahlers Zehnte Sinfonie Fis-Dur -
Letzte Darstellung vor dem Zerfall
Arnold Schönbergs Harmonielehre -
Tradition und Fortschritt.
Musik des Übergangs -
Bekenntniswerk
Arnold Schönbergs Oper „Moses und Aron“ -
Feucht-fröhlicher Kneipverkehr
Max Reger als Universitätsmusikdirektor -
Musik zum Zuhören
Über Eislers Balladen -
Immer der Zukunft entgegen
Das Liedschaffen von Charles Ives -
Kreolisch und karibisch
Die Klaviermusik von Louis Moreau Gottschalk -
„Liquidator der Bildungskritik“
Georg Bernard Shaw: Musikfeuilletons des Corno di Bassetto -
Geschichte einer Partitur
Arnold Schönberg: Fünf Orchesterstücke opus 16 -
Aufbegehren gegen die Phrase
Claude Debussy: Einsame Gespräche mit Monsieur Croche -
„... dem Eisler geben, was des Eislers ist“
Unveröffentlichte Zuschrift an „Musik und Gesellschaft“ -
Spannung zwischen Identität und Nichtidentität
Symmetrien im Chorsatz von Anton Webern -
„Alles was eine Stimme, ein Herz und Blut in den Adern hat“
Zu den „Memoiren“ von Hector Berlioz -
Radikale Entfettungskur
Bemerkungen zur Zwölftontechnik bei Eisler und Schönberg -
Ausdruck des Humanen
Über das Adagio von Mahlers Zehnter Sinfonie -
Vorläufer modernster Tendenzen und Erkenntnisse
Notizen zu Mahler -
Unendlich stiller Hoquetus
Webern und Schönberg -
Betroffensein vom Schönen
Alban Berg
Epilog
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Maschenfest gestrickt. Seit vierundzwanzig Jahren unterdrücktes Nachwort zu einer allzeit erwünschten Sammlung sämtlicher Schriften unseres allerorts bekannten und allseits geschätzten Freundes Béla plagiiert und zum 4. September [1989] dediziert von Gudrun & Hans Bunge
Bibliographie
Register

